„Ich will keinen Sex mehr! Zumindest so nicht mehr.“, höre ich oft von meinen Klientinnen. Und immer wieder werde ich gefragt, was Frauen im Alter zwischen 35 und 60 Jahren bewegt, genau jetzt, ihre Sexualität verändern zu wollen?! Sie auf ein neues Level heben zu wollen?!
Die Lebensphasen einer Frau, die eines Tages sagt: „Ich will keinen Sex mehr!“
Es geht in diesem Artikel nicht um Erziehung, erotische Prägungen, Muster oder andere individuelle Gründe ein, die gelebte Sexualität ausbremsen können. Nein. Heute überfliegen wir die Lebensphasen von Frauen und schauen, wie sie auf ihre sexuelle Selbstbestimmung einwirken können – aus der Praxis gesprochen.
Äußeren Idealen und Normen entsprechen
Junge Mädchen, junge Frauen, vergleichen sich gerne mit anderen Frauen. Da heißt es: Was macht die Andere? Wie gibt sie sich? Styled sie sich? Wie muss ich aussehen, um gut anzukommen? Was macht meine Community und wie kann ich dort mithalten? Sich an ein Schönheitsideal anzupassen, einer Norm zu entsprechen, wird bei jungen Frauen ganz hoch geschrieben. Auf der Suche nach der eigenen Identität, liegt der Fokus im Außen.
Liebe und Bestätigung erfahren
Die erste Verliebtheit, die ersten Beziehungen folgen. Und damit beginnt für viele Frauen die Phase, wo sie sich Bestätigung, Anerkennung und Liebe erhoffen, indem sie sich an ihrem Gegenüber orientieren. Was möchte er/sie von mir? Wie muss ich mich zeigen, um zu gefallen? Was muss ich im Bett machen/können, um als „die beste Liebhaberin der Geschichte“ einzugehen? Der Blick nach Außen hat weiterhin oberste Priorität.
Die erste sexuelle Bremse
In dieser Phase wird häufig der erste Grundstein gelegt, der Sexualität ausbremst. Denn durch die laufende Orientierung am Außen/an den Anderen, wird der Blick auf sich selbst vernebelt. Eigene Bedürfnisse werden hinten angestellt. Die eigenen Wünsche werden nicht beachtet. Der Körper soll funktionieren, aber ohne ihn zu erforschen und damit richtig kennenzulernen. Performance wird höher gestellt, als eigenes Spüren. Und damit fehlen auch die Worte, um über sich und seine Wünsche zu sprechen. Denn wenn ich nicht weiß, was für mich gut und wichtig ist, kann ich es auch nicht kommunizieren. (Vielleicht findest du hier weitere anregende Gedanken zu diesem Thema: Über Sexualität sprechen lernen)
Bis hierher ist der Verlauf für viele Frauen noch kein Problem. Denn durch die Gewichtung im Außen gilt: Ist mein Gegenüber glücklich und sexuell zufrieden, dann bin ich es (soweit) auch.
Was ab diesem Zeitpunkt jedoch durchaus schleichend geschieht: Die sexuellen Begegnungen werden weniger. Denn, wenn für die Frau zu wenig rausschaut. Wenn Sexualität für sie nicht erfüllend ist. Wieso sollte sie es dann fördern?! Sex wird zum Nebengeräusch, das sich vielleicht sogar langsam zum Störgeräusch entwickelt…
Neue Prioritäten werden gesetzt
Noch ist das jedoch nicht ins Bewusstsein vorgedrungen. Denn nun kommt die nächste Lebensphase, in der ganz andere Dinge an der Tagesordnung stehen: Karriere und/oder Familiengründung. Im Mittelpunkt steht: Status aufbauen, Geld verdienen, Vorgesetzte zufriedenstellen. Und/Oder: Die beste Mami der Welt zu werden. Was mit immens hohen Erwartungen an sich selbst verbunden ist.
Kinder verändern die sexuelle Welt – zumindest kurzfristig – grundlegend. Erschöpfung, Aufopferung, Hormone, führen dazu, dass Frauen ihre Lust vorübergehend ganz einstellen können. Völlig in die mütterliche Identität einsteigen und dabei das weibliche, sexuelle Wesen in sich abschneiden. Total normal. Solange der sexuelle Anteil mit der Zeit auch wieder existieren darf.
Und wieder liegt der Fokus im Außen
Auch in dieser Lebensphase haben wir ihn: Den Fokus im Außen! Vorgesetzte, Kind, Familienleben… Frauen wollen es allen Recht machen, alles so gut wie möglich machen, um alle zufrieden zu stellen. Was über bleibt ist häufig: Sie selbst.
Vielleicht gibt es nach wie vor Sexualität in der Partnerschaft. Häufig, um die Beziehung stabil zu halten. Oder die Sexualität ist nun, langsam und kontinuierlich, völlig eingeschlafen. Was auch absolut nachvollziehbar ist, wenn man bedenkt: Wieso sollte Frau die Sexualität aufrecht erhalten, wenn sie unzufriedenstellend und unbefriedigend für sie verläuft?! Wenn das Ganze nur dafür da ist, um dem Gegenüber Freude zu schenken?! Wenn der innere Antrieb fehlt, dass hier was Erfüllendes für sie zu holen ist?! Wofür dann die ganze Mühe?! Nur was Spaß macht, wollen wir wiederholen!
Aber woher kommt das?
Ob die Außen-Orientierung der Frau und damit das „sich selbst in die 2. Reihe stellen“, anerzogen ist, von Vorbildern geprägt wurde, am Selbstwert liegt, unseren Genen entspringt oder in unserem archaischen Bewusstsein wurzelt – es ist egal (diesen Themen widmen wir uns in anderen Artikeln)! Die Frauen, die so einen sexuellen Werdegang erlebt haben, wissen, dass ich nicht von „warmen Eislutschern“ spreche.
„Ich will keinen Sex mehr“ und der Aufbruch zum ICH
Nun sind wir ca. im Alter meiner Klientinnen angekommen. Das (scheinbar) Wichtigste ist vollbracht, die (vermeintlich) größten Ziele sind erreicht… und auf einmal bricht das Gefühl hervor: Da fehlt doch was! Wo bleibe ich! Ich will mich spüren, lustvoll erleben! Mich endlich entdecken!
Die Orientierung in´s Innen hat begonnen
Eine ganz neue Lebensphase ist angebrochen. Lebensjahre, Lebenserfahrung, Reife, die erfüllte „ToDo-Liste“ (die im ersten Lebensdrittel sehr hohe Anforderungen birgt), führt dazu, dass nun eines geschieht:
Der Blick wandert vom Außen ins Innen!
Die Frau beginnt sich zu nehmen wie sie ist. Sie braucht niemanden mehr, der ihr bestätigt, ob sie gut ist oder nicht. Die Außen-Orientierung verblasst. Und die Innen-Schau kann beginnen. Auf einmal sieht sie sich und erkennt:
- OK, das kann jetzt aber nicht alles gewesen sein?
- Ich bin nicht mehr bereit NUR zu funktionieren oder zu verzichten.
- In mir steckt Lust, die möchte hinaus und gestillt werden.
- Meine Bedürfnisse möchten endlich erfüllt werden.
- Ich möchte lustvoll meinen Körper erleben.
- Denn für keinen Sex, bin ich einfach noch viel zu jung!
Diese Frauen stehen nun an dem Wendepunkt, wo sie endlich auch sexuell in die erste Reihe rücken dürfen… wo es kein „gefallen müssen“ mehr gibt. Auf einmal möchte sie sich bewusst spüren. Sich finden. Ihre Individualität kennenlernen und ausleben.
Die sexuelle Entdeckungsreise kann beginnen.
Mit dem klaren Ziel: Jetzt komme ich! Jetzt gehe ich in die Tiefe! Lerne mich endlich selbst richtig kennen! Jetzt hole ich die Dinge aus mir heraus, die so lange unentdeckt blieben. Auch wenn es Zeit und einen gewissen Aufwand bedeutet, etwas jahrelang Verschüttetes ans Licht zu heben – jetzt bin ich an der Reihe!
Ready, steady, go!
Endlich Schluss, mit dem Gedanken: „Ich will keinen Sex mehr.“. Es ist ein unglaubliches Lebensgefühl, wenn Frauen sich auf ihren Weg machen! Es wird so unendlich viel Kraft frei! Eine massive Offenbarung für sich selbst und, in weiterer Folge, auch für die partnerschaftliche Sexualität.
Sexuelle Veränderung ist IMMER möglich! Vielleicht ist genau heute der richtige Tag für dich, um mit deiner persönlichen Entdeckungsreise zu beginnen! Sei dir sicher: Du wirst dich selbst reich beschenken – am Weg zu dir! ♥
Doch halt:
Noch eine abschließende Botschaft an alle Menschen, die Frauen in ihrer sexuellen Veränderung an ihrer Seite haben: Lasst es geschehen! Macht mit! Unterstützt, wenn ihr dazu eingeladen werdet! Ihr werdet reich beschenkt , wenn ihr eurer Partnerin den Raum und die Sicherheit gebt, sich nun entfalten zu können!
Viele beflügelte Grüße
Petra